7.3.2023
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Hilfe! Ich darf nicht mit meinen Kund:innen sprechen!

Es klingt eigentlich wie ein echter No-Brainer: Produktmanager:innen wollen nah an ihren Kund:innen arbeiten. In der Realität heißt das aber leider nicht immer, dass sie auch wirklich mit ihnen sprechen dürfen. Wie du auf Kund:innen zugehen kannst, und was du unternehmen kannst, wenn der Weg...

Customer Centricity

Es klingt eigentlich wie ein echter No-Brainer: Produktmanager:innen wollen nah an ihren Kund:innen arbeiten. In der Realität heißt das aber leider nicht immer, dass sie auch wirklich mit ihnen sprechen dürfen. Wie du auf Kund:innen zugehen kannst, und was du unternehmen kannst, wenn der Weg zu Gesprächen mit Kund:innen holprig wird, erfährst du heute!

Warum solltest du überhaupt mit Kund:innen sprechen?

Bei Gesprächen mit deinen Kund:innen sammelst du mehr als nur Daten für die Performance deiner Produkte. Vielmehr entwickelst du dabei ein tiefes Verständnis für deine Zielgruppe – und damit auch für dein Produkt, weil du erfährst, welche Probleme es bei den Kund:innen lösen wird. Dieses Verständnis beflügelt deine Fähigkeiten als Produktmanager:in und ermöglicht dir, großartige Produkte zu entwickeln.

Sprichst du hingegen nicht mit deinen Kund:innen, verlierst du schnell den Bezug zu ihren Bedürfnissen und Wünschen. Diese Distanz kann dazu führen, dass deine Lösungen am Bedarf der Kund:innen vorbeigehen. Thomas berichtet hierzu im Video von vielen Situationen, in denen Mitarbeiter:innen Gespräche mit Kund:innen verweigern und sich sogar dagegen sträuben. Das zeigt, wie wichtig dieses Thema wirklich ist.

Auch wenn die ersten Gespräche etwas Mut kosten, ist es unerlässlich, deine eigenen Barrieren, zu überwinden und mit fremden Menschen zu sprechen. Wenn du den direkten Austausch mit Kund:innen suchst, kannst du ein erfolgreiches, kundenzentrierte Produkt auf Basis von echtem Feedback entwickeln.

Thomas' Erfahrungen im B2C-Bereich

Im B2C-Bereich ist der direkte Kontakt mit Kund:innen oft um einiges leichter zu erreichen als im B2B-Bereich – insbesondere, wenn es sich um weitverbreitete Produkte handelt. Dennoch wehren sich viele Mitarbeiter:innen dagegen.

Beispiel: B2C Automobilbranche

In einem Fall arbeitete Thomas mit einem großen Automobilhersteller aus München zusammen. Dieser gab an, dass Thomas nicht mit seinen Kund:innen sprechen dürfe. Daraufhin verwies Thomas darauf, dass die Autos sehr verbreitet seien und es fast unmöglich wäre, nicht mit Kund:innen dieser Marke in Kontakt zu kommen. Auf einer Party in München beispielsweise würden etwa ein Drittel der Gäste ein Auto der betreffenden Marke fahren. Thomas rät in Fällen wie diesem dazu, auf eine persönliche Ebene zu gehen, indem du dich etwa mit Nutzern des Produkts auf einen Kaffee triffst.

Es kann viele Gründe geben, warum dir Unternehmen Steine in den Weg legen, wenn du direkt mit Kund:innen sprechen möchtest. Typischerweise wollen Vertriebsabteilungen verhindern, dass du durch Kundenbefragungen in den Verkaufskanal eingreifst. Das Marketing hat hingegen oft Bedenken hinsichtlich der Markenintegrität.

Thomas schlägt vor, eine spezialisierte Agentur oder Recruiting-Tools zu nutzen, um Kundeninterviews durchzuführen, ohne dass die Marke dabei Schaden nimmt. Außerdem ist es hilfreich, dein Wording anzupassen. Kennzeichne etwa Interviews gar nicht erst als „Kundeninterview“, oder verwende weniger einschüchternde Begriffe wie „Gespräch mit dem Kunden“.

Der B2B-Bereich und das Sales-Problem

Im B2B-Bereich kann es deutlich schwieriger sein, Kundeninterviews zu arrangieren. In Organisationen gibt es nämlich meist verschiedene Ebenen, welche die Entscheidungen bezüglich eines Produkts treffen.

Beispiel: Versicherungsbranche

Thomas nennt hier seine Zusammenarbeit mit einer großen Versicherung. Die internen Sales Agent:innen hatten Angst davor, ihre Kund:innen in ein Interview zu schicken. Sie hinterfragten panisch, warum er unbedingt mit ihren Kund:innen sprechen müsse.

Ähnlich wie bei B2C ist auch bei B2B die Verkaufsabteilung oft eine zentrale Hürde. Häufig sträubt sich Sales gegen Kundeninterviews und macht es so schwierig, Kundenfeedback zu erhalten. Vertriebler:innen haben Angst, dass ihre bestehenden Kunden durch ein Interview verwirrt werden und vielleicht sogar infolgedessen abspringen.

Hierbei kann es helfen, die Verkaufsabteilung mit ins Boot zu holen. Wenn du offen mit dem internen Team sprichst und die genauen Intentionen der Kundeninterviews erklärst, kann dies die Sache schon um einiges leichter machen. In manchen Fällen ist es sogar empfehlenswert, einen der kritischen Sales Agent:innen mit in ein Interview zu nehmen. So zeigst du transparent, was genau du mit den Kund:innen besprichst.

Sollte Sales trotzdem nicht kooperieren, kannst du dich gegebenenfalls bei Konkurrenten informieren und auch überregional oder über Kontakte außerhalb des hauseigenen Sales-Netzwerks an Kund:innen herankommen.

Sebastians Erfahrungen mit der DSGVO

Auch die DSGVO ist eine typische Hürde. Trotz der positiven Seiten der DSGVO in Deutschland hat sie bei vielen Unternehmen für Angst vor der Kontaktaufnahme mit Kund:innen gesorgt. Diese ist jedoch essenziell für Interviews.

Beispiel: DSGVO im B2C-Umfeld

Sebastian schlug dem Marketingteam eines Unternehmens vor, Bestandskund:innen gezielt anzusprechen, um sie zu einem Interview einzuladen. Diese Idee stieß dem Marketingteam übel auf, da es laut DSGVO-bezüglicher Marketingzustimmung nur erlaubt sei, bestehende Kund:innen zu Marketingzwecken zu kontaktieren und sie nicht aufgrund einer gezielten Segmentierung einzeln anzusprechen. Für eine gezielte Ansprache und ein telefonisches Interview fehlte also schlichtweg eine entsprechende Einwilligung der Kund:innen.

Infolgedessen kam Sebastian auf die Idee, einen Newsletter an Bestandskund:innen herauszuschicken, die im Zielsegment lagen. Am unteren Ende dieses Newsletters wurden diese zu einem Interview eingeladen, mit einem Link zu einem Formular – als Belohnung gab es einen Online-Gutschein. In dem Formular konnten Kund:innen ihre Telefonnummer angeben und dem direkten Kontakt zustimmen. So hatte Sebastians Team innerhalb weniger Tage mehr freiwillige Teilnehmer:innen, als überhaupt nötig waren, und konnte genügend Interviews durchführen, um das Produkt zu verbessern.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gute Produktmanager:innen suchen den direkten Kontakt zu Kund:innen, um tiefgreifend zu verstehen, was diese wirklich benötigen, in welchen Situationen und wie häufig das Produkt genutzt wird.
  • Sales und Marketing blockieren oft den direkten Kundenkontakt – aus Angst vor Störungen im Vertriebskanal, dem Absprung von Kund:innen oder aufgrund fehlender Zustimmung laut DSGVO-Richtlinie.
  • Im B2C-Bereich helfen informelle Gespräche, spezielle Agenturen oder Recruiting-Tools.
  • Im B2B-Bereich arbeitest du am besten eng mit dem Sales- und/oder Marketingteam zusammen. Du kannst dir auch gezielt Kund:innen von einem Wettbewerber suchen. Im letzteren Fall können auch hier wieder spezielle Agenturen oder Recruiting-Tools helfen.

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